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Jörg Scholz

Predigt am 3. August 2025 in der Versöhnungskirche Travemünde

In welcher Art von Sprache kann man angemessen von Gott und vom Glauben reden? Die Lieder und die Bibeltexte dieses Sonntags sprechen zu uns mit einer Fülle an Bildern. Ich erinnere nur an den wunderbaren 121. Psalm, den wir am Anfang gesprochen haben - mit Glauben schaffender Poesie. „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt…“

Schaut man sich aber einen Gottesdienst wie diesen in seiner Abfolge genauer an, dann fällt auf, dass nicht immer poetische Sprache gebraucht wird. Sinnfälliger Ausdruck davon ist das Glaubensbekenntnis, das wir eben wieder leise mitgesprochen haben. Da wird offensichtlich eine andere Sprache benutzt. Der Eindruck stellt sich ein, dass keine Bilder gebraucht werden, sondern Fakten, Tatsachen, zusammengestellt werden, um unseren Glauben zur Sprache zu bringen. „Gekreuzigt“, Punkt; „gestorben“; Punkt, „begraben“, Punkt… Ich will das sogenannte „Apostolische Glaubensbekenntnis“ jetzt nicht wiederholen, aber es ist doch so, dass seine Worte fast an jeder Stelle weniger unser Herz und unsere Gefühle ansprechen als unseren Verstand.

Aber: Verstehen wir denn, was da gesagt wird, oder müssten wir nicht an jeder Stelle Übersetzungsarbeit leisten, um zu verstehen?

Da das wohl kaum geschieht, steht gerade das Glaubensbekenntnis in der Gefahr, gleichsam monoton dahingesprochen zu werden. Man tut es halt so. Das geht mir nicht anders als wahrscheinlich den meisten von Ihnen. Mein eigener Kompromiss damit sieht so aus, dass ich mir immer sage: Das ist ein Bekenntnis aus einer bestimmten frühen Zeit der Kirche, dem 5. Jahrhundert, und das Großartige daran ist, dass es – bis auf kleine Varianten – in allen christlichen Konfessionen der Welt bis heute so gesprochen wird und uns miteinander verbindet. Wie es letztlich auch die gewachsene Form des Gottesdienstes tut, den wir feiern. Es ist ein Strom der Geschichte des Christentums, in den wir eintauchen.

Welche Sprache ist dem Glauben angemessen? Die poetische oder die vermeintlich sachliche? Wie kann von Gott gesprochen werden? Verändern sich vielleicht im Lauf der Zeiten auch die Sprachmuster, die Gott angemessen sind?

Ich denke, wir müssen diese schwierige Frage bejahen. Um es sehr pointiert auszudrücken: Können wir noch in einer Sprache von Gott reden, die behauptet, Gott gäbe es irgendwo im Himmel, der doch das Weltall wäre, und lenke von dort die Geschicke der Welt und unseres Lebens? Die Annahme einer womöglich männlichen Person, die Gott heißt und die existiert, wie Sie und ich existieren, ist durch unser modernes Denken ziemlich erschüttert. Vor allem aber dies: Wenn Gott so existierte wie alles andere in dieser unendlichen Welt, dann wäre auch er dem Gesetz des Werdens und Vergehens unterworfen. Er wäre nicht Gott.

Was aber dann, denn wir wollen doch von Gott reden? Poesie, wie am Anfang schon gesagt, Musik, Kunst, Anbetung und Spiritualität können Wege zu Gott aufzeigen. Aber dem gesellt sich noch etwas Weiteres hinzu, das ich bei Jesus in den Evangelien finde und von dem in unserem Glaubensbekenntnis überhaupt nicht die Rede ist. Neben seinem Versuch, Menschen heil und gesund zu machen, gehört zu seinen Kennzeichen das Erzählen von wunderbaren Geschichten und der Gebrauch von einprägsamen Bildern. Nicht weit weg von der Poesie. Wenn der Mensch auf sie hört, verbinden sie sich wie ein Netzwerk mit seiner Existenz. Der Hörer wird durchlässig auf Neues hin – und das führt mitten hinein in das jeweilige Leben.

Der Episteltext aus der Apostelgeschichte (Apg 2, 41-47) passt auch eher in die Kategorie „Sachtext“. Lukas beschreibt die erste Zeit der Urgemeinde in Jerusalem nach Kreuzigung und der Auferweckung Jesu. Es ist eine ideale Zeit; mit ständig wachsenden Hausgemeinden, die zum Brotbrechen zusammenkommen. Und, schreibt Lukas: „Alle, die zum Glauben gekommen waren, blieben zusammen und betrachteten ihren Besitz als gemeinsames Eigentum; Grundstücke und sonstigen Besitz verkauften sie und verteilten den Erlös an alle, wie es deren Bedürftigkeit erforderte.“

Zu der Gütergemeinschaft, die man auch als „urchristlichen Kommunismus“ bezeichnet hat, heißt es in „Wikipedia“:

„Die Gütergemeinschaft der Urgemeinde wirkte in der Christentumsgeschichte als Vorbild für christliche Minderheiten, die entsprechend zu leben versuchen und sich damit von den Großkirchen abgrenzen. Sie bildet einen kritischen Maßstab für das gesamte Verhältnis der Kirchen zu Armut, Eigentum und Besitz. Sie begründet darüber hinaus auch Gesellschaftskritik, da sie ein gleichberechtigtes Zusammenleben in gegenseitiger, verbindlicher Solidarität ohne Ausbeutung beinhaltet und damit das kommende Reich Gottes bezeugen und vorwegnehmen will.“

Ich vermute aber, dass man den Text aus der Apostelgeschichte für den 7. Sonntag nach Trinitatis nicht wegen des sozialen Idealbildes ausgewählt hat, sondern wegen des gemeinschaftlichen Brotbrechens. „In ihren Häusern brachen sie das Brot und nahmen ihre Mahlzeiten voller Jubel und doch bescheidenen Herzens ein.“ Denn der heutige Sonntag hat von altersher im Mittelpunkt das Abendmahl.
Das wird deutlicher im Text des Evangeliums, den wir auch schon gehört haben (Joh 6, 30-35):

Der johanneische Jesus sagt: „Mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Dieses Brot kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“
Für mich ist das kein Sachtext, keine Reportage aus Galiläa zu Lebzeiten Jesu, sondern eine der Zusammenfassungen des Evangelisten Johannes, mit denen er Jesu Bedeutung für die beschreibt, die an ihn glauben.
Das ganze Christusgeschehen kann uns, wenn wir uns darauf einlassen, Lebenskraft und Lebenssaft geben. Und im Abendmahl werden Hunger und Durst symbolisch gestillt; es ist Himmelsspeise für das Christenleben. „Im Abendmahl grüßt der auferstandene Christus seine Gemeinde“, so hat es sehr schön einer meiner theologischen Lehrer im Studium ausgedrückt.

Verstehen wir diese an uns gerichteten Bilder von Gemeinschaft und erfülltem Leben nur als hohen Anspruch, dann stehen wir in der Gefahr, dass wir resignieren. Wir schaffen das ja doch nicht… Wenn wir sie aber als Hoffnungsbilder verstehen, dann muten sie uns zu, dass sich durch uns etwas bewegt, verwandelt. „Ihr seid das Salz des Lebens“, ruft uns Jesus zu. Wir salzen das Leben, wenn wir es – auch in Krisenzeiten – fröhlich und heiter bewältigen. Wir bringen Lichtwürze, wo wir unbefangen auf Menschen zugehen, und den Mund auftun, wo es notwendig ist. Und damit komme ich noch einmal auf die Frage zurück, wie heute von Gott gesprochen werden kann, wenn uns die dogmatischen Formeln nicht mehr genügen. Wo Menschen im Namen Jesu Gemeinschaft und Teilen verkörpern, da erscheint Gott und ist mit ihnen; da blitzt etwas auf von Ewigkeit.

Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, mutet Jesus uns zu. Das fällt als Akt des Glaubens nicht leicht. Sie wissen alle, dass der Anteil der aktiven Christinnen und Christen in Deutschland schrumpft. Das hat sicher auch damit zu tun, wie die Sprache der etablierten Kirchen die Menschen erreicht. Wir müssen uns auch damit auseinandersetzen, dass wir in einer Zeit leben, die den Menschen einen ganz anderen Verheißungscharakter bietet. „Streame dir alles, was du liebst“ – so warb eine große Unterhaltungsfirma für sich. Übersetzt heißt das: „Du kannst dir alles herunterladen, was du liebst“. Die digitalen Kanäle liefern dir alles. Wenn ich etwa im Bus sehe, wie viele Menschen mit ihrem Smartphone beschäftigt sind, dann frage ich mich, ob sie – unbewusst natürlich – nicht in dem Gefühl leben, dass sie jederzeit mit allem verbunden sind und nichts anderes brauchen. Warum dann noch „Salz“ sein wollen?

Ich bin mir aber sicher, dass es sich dennoch, um des Menschseins vor Gott willen, lohnt, Salz in die Lebenssuppe zu streuen und Signale der Solidarität zu setzen. Der politisch sehr engagierte frühere hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer hat einmal gesagt: „Wir können aus der Erde keinen Himmel machen, aber jeder von uns kann etwas tun, dass sie nicht zur Hölle wird.“ Uns dafür zu stärken, darum feiern wir diesen Gottesdienst.
Amen

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Predigt am 27. Juli 2025 in St. Lorenz, Lübeck

Zwei Texte aus der Frühzeit des Christentums haben wir eben gehört. Den Abschluss des Matthäus-Evangeliums und einen Ausschnitt aus dem 1. Petrusbrief. Das Finale des Evangeliums ist gewaltig: „Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.“ In der Geschichte des Christentums wurden diese Worte als „Taufbefehl“ verstanden. Und da könnte man gleich sagen: Befehl ausgeführt! - mit Zwangsmissionierung und der Einführung der Säuglingstaufe.

Eine schreckliche Wirkungsgeschichte von Worten, die sich die jungen Christinnen und Christen zugesagt haben, als es darum ging, sowohl gegenüber der Mutterreligion, dem Judentum, als auch gegenüber dem imperialen römischen Staat den neuen Glauben zu leben. Übrigens hat der historische Jesus von Nazareth nie dazu aufgefordert, in seinem Namen zu taufen. Erst nach seinem Kreuzestod wird die Einladung, sich taufen zu lassen, zu einem der wichtigsten Identitätsmerkmale des Christentums – neben dem Abendmahl.

Um die Festigung des neuen Glaubensweges geht es auch im 1. Petrusbrief. Die Schriftgelehrten sind sich darin einig, dass dieser Brief, der in gutem Griechisch geschrieben wurde, kaum von dem Fischer vom See Genezareth Petrus verfasst worden sein kann, sondern vielleicht zwei Generationen nach Petrus in seinem Namen verschickt wurde. Es ist ein schönes und interessantes Schreiben, das ermutigen und trösten will. Ich komme auf einige Formulierungen daraus zurück.

Und jetzt unternehme ich einen waghalsigen Sprung in die Gegenwart und zeige Ihnen und euch, dass auch ich ein Smartphone besitze. Mit diesem kleinen Zauberkasten möchte ich etwas demonstrieren, und das geht so:

Zunächst ist das Smartphone ein Objekt aus unserer modernen Welt. Man kann dieses Objekt aus mehreren Perspektiven betrachten. Ich nenne den rein technischen Aspekt. Wie funktioniert es, wie es ist es gebaut? Man kann es unter ökologischen Gesichtspunkten ansehen. Wie ist seine Umweltbilanz in Bezug auf Herstellung und Nutzung? Man kann es unter kommunikativem Blickwinkel in Augenschein nehmen. Es lässt sich damit mit anderen Menschen telefonieren; es kann eine Quelle für Informationen sein und ist obendrein ein Fotoapparat. Diese verschiedenen Sichtweisen auf das Objekt „Smartphone“ ließen sich sicher noch erweitern. Aber Hand auf's Herz: Wer stellt schon solche Betrachtungen an, wenn er oder sie das Smartphone einschaltet?

Nein, da kommt noch etwas anderes ins Spiel, das bewirkt hat und anhaltend bewirkt, dass aus dem Smartphone ein Medium geworden ist, das das Alltagsleben der Menschen total verändert hat. Ähnlich revolutionär war die Erfindung des Buchdrucks in der Reformationszeit. Ich charakterisiere es so: Das Medium „Smartphone“ löst beim Benutzer etwas aus. Nicht nur wir machen etwas mit ihm – sondern es macht auch etwas mit uns.

Wie kommt es, dass im Bus geschätzt jeder zweite auf sein Smartphone starrt? Wie kommt es, dass man häufig Mütter sieht, die den Kinderwagen mit dem Kleinkind durch die Gegend schieben – und gleichzeitig das kleine Ding bedienen? Wie lässt sich erklären, dass Menschen in einem Restaurant, wo gerade die Speisen aufgetischt werden, zunächst ein Bild davon schießen müssen, um dieses wem auch immer zu verschicken? Weitere solcher Beobachtungen sind möglich.

Kommunikationswissenschaftler können das sicher besser erklären als ich, aber ich nenne drei meiner Deutungen:

Unser menschlicher Spieltrieb und unsere natürliche Neugier werden angeregt. Wir haben etwas zu tun und müssen uns nicht mit Langeweile oder absichtslosem In-die-Welt-Gucken herumplagen. Darüber hinaus dies: Das Medium gibt seinem Nutzer das Gefühl, nicht allein zu sein, sondern Teilhaber eines weltumspannenden Netzwerks, an dem er partizipiert und das seine Wichtigkeit erhöht. Auf einer noch tieferen Ebene könnte man darüber nachsinnen, ob nicht auch Allmachtsphantasien genährt werden, die Welt liegt einem sozusagen zu Füßen... Vielleicht halten Sie, liebe Gemeinde, solche Erklärungsversuche ja für abwegig – oder haben andere oder bessere.

Ich bin zu den Überlegungen des Smartphones als Medium gekommen durch die Lektüre eines Buches eines Theologen, er heißt Hartmut von Sass und lehrt in Hamburg. Er schreibt allerdings nichts über das Smartphone, sondern nimmt den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bei der Betrachtung eines Kunstwerks. Ein Bild in einem Museum können wir als Objekt betrachten, aber in dem Moment, wo das Bild uns anspricht, uns berührt, wird es zum Medium, das auf uns zurückwirkt. Vielleicht können Neurophysiologen eines Tages erklären, was da ins uns vorgeht, aber der Sprung von der reinen Objekt-Betrachtung in das Berührtsein bleibt hoffentlich noch lange als Wechsel in einen veränderten Zustand der Wahrnehmung erhalten und Zeichen schöpferischen menschlichen Geistes.

Sicher ist es nichts besonders Neues, was ich anhand des Smartphones und kurz eines Kunstwerks zu beschreiben versucht habe: Wir sind in einem ständigen Austausch mit unserer Umwelt. Wir betrachten sie nicht nur als Objekt, sondern sie hinterlässt Spuren in uns. Der liebevolle oder kritische, ja böse Blick eines Menschen; das Erlebnis eines Sonnenuntergangs; die Aufnahme einer guten oder auch beängstigenden Nachricht; das Ermessen einer Situation im Verkehr – die Beispiele ließen sich unendlich vermehren. Aber sie wirken auf uns, und es ist an uns, wie wir sie aufnehmen und was sie in uns auslösen.

Da kommt für mich als Theologen und Prediger und religiös empfindsamen Menschen der Gottesdienst ins Spiel, den wir gerade feiern. Wie trifft er Sie, liebe Gemeinde? Interessiert, innerlich vielleicht auch ablehnend oder zumindest kritisch, oder womöglich sogar begeistert?

Wie dem auch sein mag, wir erleben ein Ritual, das zunächst in seiner Gesamtheit zum Medium für uns wird: Lieder, Gebete, Lesungen, der Versuch einer Predigt, eine Kantorei, alte liturgische Formelsprache bis hin zum Segen nachher. Darf ich sagen: ein Gesamtkunstwerk?

Und welche Bildersprache tut sich vor unseren Ohren auf! Alles, was wir tun, mögen wir im Namen Jesu tun. Ein Bibelwort aus dem Neuen Testament, das dem vorhin gehörten Eingangschor aus der Buxtehude-Kantate zugrunde liegt. Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende dieser Weltzeit, verheißt Christus den Seinen im Evangelium. Kräftige Bilder aus dem 1. Petrusbrief: Neugeborenen Kindern gleich verlangt nach der geistigen, unverfälschten Milch; lasst euch selbst als lebendige Steine zu einem geistlichen Haus aufbauen; ihr seid auserwählte Menschen, eine königliche Priesterschaft, eine heilige Gemeinschaft, ein Volk, das Gott gehört.

Und ich zitiere noch die Schlussstrophe des Liedes am Ende des Gottesdienstes. Sie wurde geschrieben von dem Barock-Meister geistlicher Sprachspiele Paul Gerhardt und lautet: „Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich Wurzel treiben. Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben.“ Mir geht das ans Gemüt; in der Sprache dieser Predigt: Es macht etwas mit mir...

Noch einmal zurück zu dem schon erwähnten Theologen Helmut von Sass. Sein schmales Buch hat den Titel „Atheistisch glauben“. Ich müsste den Titel so aussprechen: a-theistisch glauben. Also: Gottlos oder ohne Gott glauben. Kein Fragezeichen dahinter, einfach so: „Atheistisch glauben“. Da sträubt sich doch das christliche Gefieder! Feiern wir jetzt nicht Gottesdienst? In Kurzfassung erklärt, meint von Sass, dass wir aufhören sollten, Gott als Objekt zu suchen und zu sehen. Das tut der Theismus. Vom Bild eines alten Mannes mit Bart, der irgendwo im Kosmos auf uns schaut, haben wir uns sicher schon lange verabschiedet. Aber ich habe doch auch mein ganzes Theologenleben nach einem Gott gesucht, den ich festmachen kann. Wie habe ich mir den Satz des großen, heute fast vergessenen Theologen Paul Tillich zu eigen gemacht, der heißt „Gott ist das Sein selbst“!

Weg damit!, sagt von Sass. Und beschreibt eine andere Weise, von Gott zu reden. Mit meinen Worten: Gott ereignet sich, indem wir uns auf ihn und besonders seine Identitätszeichen Glaube, Liebe und Hoffnung einlassen. Der Blick auf das Leben, Handeln und Sprechen des Jesus von Nazareth könnte dabei hilfreich sein. Dann geschieht Gott und, mag sein/hoffentlich, verändert das uns. Gott ist ein mediales Ereignis, flüchtig, aber vielleicht auch wirkmächtig. „O Gott-o-Gott“, „Mein Gott!“, sagen wir manchmal eher floskelhaft oder unbedacht. Könnte es nicht sein, dass wir uns, vielleicht ohne es zu wollen, Gott schaffen, indem wir ihn seufzend in unser Leben lassen?

Ich kämpfe noch mit dem Gottesbegriff von von Sass, aber er fasziniert mich durchaus.

Zum Reden von Gott gehört aber auch der Zweifel. Wir schwanken wie ein Rohr im Wind. Wahrscheinlich haben wir vorhin diesen Satz aus dem Abschluss des Matthäus-Evangeliums überhört – und ich weiß nicht, ob er in Predigten über diesen Text auftaucht: „Und als sie, die Jünger, ihn sahen, warfen sie sich nieder, hatten aber auch Zweifel.“

Lasst uns sehen, wo wir uns in unserem Leben so berühren lassen, dass wir Luft zum Durchatmen in unserem Dasein in schwierigen Zeiten bekommen!

Zum Schluss noch einmal eine Einladung, in die Bilderwelt des Glaubens einzutauchen. Der Chor hat vorhin Worte des 121. Psalm in der Vertonung von Roland Ploeger gesungen. Er lehrte als Professor an der Lübecker Musikhochschule und hat der Kantorei das Werk, das er kurz vor seinem Tod 2004 zufällig wiederfand, gewidmet.
Hören wir:
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt. Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird meinen Fuß nicht gleiten lassen, denn der mich behütet, schläft und schlummert nicht. Der Hüter der Menschen schläft noch schlummert nicht.“
Amen.